Franz Stephan von Lothringen

Franz Stephan von Lothringen wurde am 8. Dezember 1708 in Nancy geboren. Er kam schon früh an den Wiener Hof, wurde 1732 von Kaiser Karl VI. zum Statthalter von Ungarn ernannt und heiratete 1736 dessen Tochter und Nachfolgerin als Regentin des habsburgischen Imperiums, Maria Theresia. 1745 wurde er als Franz I. Stephan zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nationen gewählt.

Im Zuge der Ausgestaltung von Schloss Schönbrunn als Sommerresidenz des Wiener Hofes ließ Franz Stephan von Lothringen im Schlosspark auch eine Menagerie anlegen. Sie sollte Teil des repräsentativen Gesamtensembles sein, vor allem aber seinem Interesse an Tieren und deren naturwissenschaftlicher Erforschung entgegenkommen. Es ist davon auszugehen, dass schon unter Franz Stephan in der Menagerie Schönbrunn verstorbene Tiere an die ebenfalls von ihm gegründete „Naturalien-Sammlung", die Vorgänger-Institution des heutigen Wiener Naturhistorischen Museums, gekommen sind.

Franz Stephan war bereits als Kind mit Tieren in Berührung gekommen. Später hatte er sowohl die Tierhaltungen der Habsburger in der Umgebung ihrer Wiener Residenz - bei den Schlössern Ebersdorf und Neugebäude - als auch die Menagerie von Prinz Eugen von Savoyen beim Schloss Belvedere und die ebenfalls bedeutenden Anlagen von Paris-Versailles oder London kennengelernt. Auch seine Eltern besaßen an Ihrem Sitz in Lunéville eine kleine Privatmenagerie. Über die neue Menagerie im Schlosspark von Schönbrunn, die nach barocken Gestaltungsprinzipien errichtet worden war, sagte er einmal sinngemäß, sie koste ihn zwar viel Geld, bereite ihm aber auch sehr viel Freude.

Als die Menagerie Schönbrunn im Sommer 1752 größtenteils fertiggestellt und mit Tieren besetzt war, konnte Franz Stephan auch die ersten Gäste zu ihrer Besichtigung einladen. Am 31. Juli wurde ein solcher Besuch erstmals vom Obersthofmeister Maria Theresias, Johann Joseph Fürst Khevenhüller-Metsch, schriftlich festgehalten. Dieser Tag gilt deshalb heute als Gründungstag des Tiergartens Schönbrunn - der seither ohne Unterbrechung am selben Standort in Betrieb ist. Schon im Herbst des Jahres durften auf Einladung Franz Stephans auch Schüler der Wiener Theresianischen Akademie die neue Attraktion des Hofes besuchen.

Franz Stephan bemühte sich bis zu seinem Tod im Jahr 1765 um die Beschaffung von Tieren für die Menagerie Schönbrunn. Zunächst sollten vor allem Wasservögel, exotische Hühner, Fasane aus Indien und viele bunte Vögel für die Volieren beschafft werden, aber keine Fleisch fressenden Tiere. Auch Affen und Papageien wollte Franz Stephan ursprünglich nicht in seiner Menagerie haben - da sie zu dieser Zeit aber an den großen europäischen Fürstenhöfen zu den „Modetieren" gehörten und spätestens ab 1753 auch in Wien vertreten waren, dürfen wir annehmen, dass sich mit ihrer Anschaffung Maria Theresia durchgesetzt hatte.

Für den Tiererwerb beauftragte Franz Stephan seine Kanzlei, sich mit Kontaktpersonen in den damaligen großen europäischen Hafenstädten wie Amsterdam, Marseille, Livorno oder Hamburg, aber auch mit Beamten in den Kronländern Maria Theresias in Verbindung zu setzen. Mehrfach ließ er sich auch Tiere aus der Menagerie in den Boboli-Gärten von Florenz schicken, das zu dieser Zeit ebenfalls von Franz Stephan regiert wurde. Aus der Gründungszeit der Menagerie Schönbrunn sind an Tieren etwa noch Antilopen, Rinder, Schafe, Ziegen, Flamingos, Rote Sichler, Hokkos, Strauße oder Tauben bekannt. Ein bereits im „Bestiarium" Kaiser Rudolph II. (1552-1612) abgebildeter Helmkasuar war Franz Stephan die stolze Summe von fast 2.000 Gulden wert.

Nach dem Ableben Franz Stephans ließ Maria Theresia den Zentralpavillon der Menagerie Schönbrunn als eine Art Erinnerungsraum an ihren verstorbenen Gatten umgestalten. Auf diese Weise entstanden neben dem schon vorhandenen Deckenfresko von Ignaz Mildorfer mit Szenen aus Ovids „Metamorphosen" die heute noch erhaltene hölzerne Wandvertäfelung sowie die im Übergangsbereich zwischen Wand und Kuppel angebrachten Ölbilder mit Tiermotiven von Franz Michael Purgau. Sie zeigen überwiegend Tiere, die sich zu Lebzeiten Franz Stephans in der Menagerie befunden hatten, aber auch für ihn unerreichbar gebliebene Wunschtiere wie das Bergzebra. Eine anfangs in der Mitte des Pavillons aufgestellte Gedenkbüste Franz Stephans von Balthasar Moll aus dem Jahr 1766 wurde später wieder entfernt. Sie befindet sich heute in der Nähe des Haupteingangs in den Tiergarten (vom Hietzinger Tor des Schönbrunner Schlossparks kommend, nach dem Wüstenhaus rechts am Wegrand, bei der Station „Tiergarten - Palmenhaus" des Schönbrunner Panoramazuges).