Kunst des Schuppenlesens

2. November 2023

Wie erkennt man bei Tieren das Geschlecht? Bei Löwen tragen die Männchen eine Mähne, viele Vogel-Männchen imponieren durch ihre Farbenpracht. Bei den Krokodiltejus ist dies nicht ganz so einfach: Ausgewachsene Weibchen und Männchen unterscheiden sich nicht in ihrer Größe und ihrem Gewicht. Dafür lassen sie sich durch Schuppen links und rechts der Kloake auseinanderhalten. Diesen Nachweis erbrachte nun ein Forscherteam im Tiergarten Schönbrunn. „Die Kloake ist der gemeinsame Ausgang von Darm, Harnblase und den Geschlechtsorganen. Wir konnten zeigen, dass Männchen auf jeder Seite der Kloake drei in einer Linie verlaufende Schuppen besitzen. Bei den Weibchen sind ein bis zwei vergrößerte Schuppen von kleineren umgeben, was an eine Blume erinnert. Dieses Muster ist vom Schlupf an ausgebildet und lebenslang erkennbar“, so Anton Weissenbacher, zoologischer Kurator im Tiergarten Schönbrunn.

In Zookreisen wurde bereits länger vermutet, dass die Geschlechter bei diesen südamerikanischen Echsen anhand der Schuppen bei der Kloake unterschieden werden können. Das konnte die Langzeitstudie des Tiergartens nun erstmals belegen. Wie diese abgelaufen ist, erklärt Rupert Kainradl, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Tiergartens: „Über zwei Jahre haben wir die Schuppen von sieben ausgewachsenen und acht frisch im Tiergarten geschlüpften Krokodiltejus dokumentiert. Diese Daten wurden dann vom Studenten Riccardo Antonini von der Universität Turin im Rahmen seiner Masterarbeit ausgewertet. Eine anschließende Überprüfung der Geschlechtsorgane mittels Computertomographie an der VetMed Wien bestätigte: Die Schuppen sind eine zuverlässige, nicht-invasive Methode zur Bestimmung des Geschlechts.“

„Die Haltung von Tieren stetig zu optimieren und an deren Bedürfnisse anzupassen, ist eine der Kernaufgaben eines modernen Zoologischen Gartens. Obwohl wir noch nichts über die Funktion der Schuppen wissen, sind die gewonnenen Erkenntnisse wieder ein wichtiger Beitrag, diese Tierart besser zu verstehen. Das Geschlecht kann nun für die Tiere stressfrei bestimmt werden. Die Studie ist somit ein schönes Beispiel dafür, wie wissenschaftliche Arbeit auch die Haltung von Tieren unterstützen kann“, so Tiergartendirektor Stephan Hering-Hagenbeck. Zoos fungieren als wichtige Forschungsstätten, in denen umfangreiches Wissen über viele Arten generiert wird. Davon profitiert langfristig auch der Artenschutz. Denn die Erforschung zahlreicher Tiere ist in der Wildbahn enorm aufwendig, oft nahezu unmöglich.

Hier geht´s zur Studie: https://doi.org/10.3897/herpetozoa.36.e109056