Aus Waldrapp-Küken wurden Zugvögel!

19. September 2014

Der Waldrapp, einer der am stärksten bedrohten Zugvögel der Erde, war bis ins 17. Jhdt. auch in Mitteleuropa heimisch, bis er durch Überbejagung verschwand. Nun soll der Waldrapp in Europa wiederangesiedelt werden. Grundlage dafür sind von menschlichen Bezugspersonen im Tiergarten Schönbrunn aufgezogene Küken. Sie werden darauf trainiert, ihren Ziehmüttern, die ihnen als Copilotinnen in Ultraleichtflugzeugen vorausfliegen, bis in ein geeignetes Wintergebiet zu folgen. "Der Tiergarten Schönbrunn unterstützte das Projekt des Waldrappteams von Anfang an und wir freuen uns sehr, dass es die Migration heuer so erfolgreich verlaufen ist", so Tiergartendirektorin Dagmar Schratter.

Am 25. August startete die menschengeführte Migration 2014 von Grödig in Salzburg aus mit 14 Vögeln. Mit dabei die beiden Zieheltern Corinna Esterer und Anne-Gabriela Schmalstieg in einem Team von insgesamt 16 Personen. Zwei Fluggeräte wurden vom Profipiloten Walter Holzmüller und Projektleiter Johannes Fritz pilotiert. Ein deutsches Filmteam begleitete das Projekt, um die Flugformation von einem Helikopter aus für mehrere deutsch- und italienischsprachige TV Produktionen zu filmen.

Bereits beim ersten Flug galt es die Alpen zu überqueren. Das war Neuland für das Team, da die Vögel bei vorangegangenen Flügen östlich um die Alpen herum geleitet wurden. Die Route führte über Obertauern und den Katschbergpass bis zum Flugplatz Nötsch im Gailtal, insgesamt 269 km, maximale Seehöhe 2.450 m, Flugzeit 4:47 Stunden. Aufgrund des starken Gegenwindes gestaltete sich diese Etappe besonders schwierig. Projektleiter J. Fritz: „Der Fön bremste den Flug und verursachte in Kammlagen erhebliche Turbulenzen und Abwinde. Es war für mich wohl der bislang schwierigste Flug in meiner Fliegerkarriere. Dass die Vögel bei diesen Bedingungen überhaupt mitgekommen sind ist sicher der außerordentlich engen Beziehung zu den beiden Ziehmüttern zuzuschreiben.“

Bereits am 28. August führte die zweite Etappe über die Karawanken bis an die Adria, dem Lido folgend vorbei an Venedig bis an den Südrand des Podeltas, 301 km in 4:16 Flugzeit. Für die Filmaufnahmen mit dem Helikopter wurde uns der Luftraum über Venedig freigegeben. Die Teilnehmer der zu dieser Zeit stattfindenden Filmfestspiele in Venedig konnten die Flugformation über der Lagunenstadt beobachten, wie in nationalen Medien berichtet wurde.

Am 30. August überquerten wir den Apennin und erreichten die Toskana (153 km in 2:34 Stunden). Auf einem Flugplatz nördlich von Florenz mussten wir dann wegen Schlechtwetter einige Tage pausieren.

Am 4. September flogen wir die letzte Etappe. Dafür bekamen wir für die Filmaufnahmen eine Freigabe, um auch den Luftraum von Florenz zu durchfliegen. Von dort führte die Route an San Gimignano vorbei, der wegen ihrer zahlreichen Türme auch als „Stadt der Türme“ bekannt. Ein kräftiger Wind trieb uns mit bis zu 105 km/h voran, bei einer Eigengeschwindigkeit der Fluggeräte und Vögel von ca. 40 km/h ein extrem hoher Wert. Kurz vor Siena verloren wir während einer Zwischenlandung Kontakt zu einem Teil der Vögel. Wir setzten den Flug ohne sie fort und erreichten nach einer Flugzeit von 3:24 Stunden (221 km) erreichten wir das Wintergebiet in der WWF Oasi. Die verlorenen Vögel tauchten nach einigen Stunden am Ausgangsort des Fluges, nördlich von Florenz, auf und wurden in das Wintergebiet transportiert.  

Die Gesamtdauer dieser neunten menschengeführten Migration des Waldrappteams war mit 11 Tagen nur halb so lang wie die bisher schnellste Migration. J Fritz: „Der phantastische Verlauf der Migration ist sicher insbesondere den beiden Ziehmüttern Corinna und Anne zuzuschreiben. Trotz hoher Belastung waren sie mit viel Engagement und Freude bei der Arbeit und konnten eine außerordentlich starke Beziehung zu ihren Zöglingen aufbauen.

Die genaue Position jedes einzelnen Vogels wurde während der Flüge in Sekundenintervallen mittels GPS-Datenloggern aufgezeichnet. So kam ein bislang einzigartiger Datensatz mit insgesamt 85.000 Positionspunkten pro Vogel zusammen. Damit soll die Grundlagenforschung zum Formationsflug bei Zugvögeln fortgesetzt werden.